Lunch Lectures – Denkanstösse – Food for Thought

Über die Lunch Lectures

Die interdisziplinären Lunch Lectures „Denkanstösse- Food for thought“ am Fachbereich 05 Philosophie und Philologie geben einen Einblick in aktuelle (Forschungs-)Fragen und machen so Gender (Studies) Perspektiven, auch in ihrer Verschränkung mit anderen Macht- und Herrschaftsverhältnissen, sichtbar.
Lehrende, Promovierende und Studierende präsentieren in einem ca. 20-minütigen Impulsvortrag ihre aktuelle Forschung und stellen sie in lockerer Runde zur Diskussion. Alle Mitglieder der JGU, die sich für Themen rund um Geschlecht und Intersektionalität interessieren, sind herzlich dazu eingeladen, sich status- und disziplinübergreifendend auszutauschen und in entspannter Atmosphäre zu vernetzen.

Kommen Sie einfach vorbei, wir freuen uns!

Programm Sommersemester 2023

jeweils dienstags, 12:15 Uhr, in Präsenz im Fakultätssaal des FB 05 (01-185), Philosophicum

 

06.06.2023 - Edith Wittenbrink
(Weiße) Privilegien verlernen?! Sozialethische Anstöße

Wie kann Gesellschaft gerecht(er) gestaltet werden? Das ist eine Grundfrage der Sozialethik, die nicht zuletzt die Beschäftigung mit Diskriminierungen erfordert. Denn neben rassistischen, sexistischen oder queerfeindlichen Übergriffen erleben viele Menschen strukturelle Diskriminierung, beispielsweise im Bildungssystem oder auf dem Arbeitsmarkt. Doch muss aus postkolonialer Perspektive ein diskriminierungs- und damit auch privilegienkritischer Blick nicht nur auf die Gesellschaft geworfen werden, sondern auch auf Wissenschaft und deren Vertreter*innen selbst.
Von der Begründerin des postkolonialen Feminismus Gayatri Chakravorty Spivak stammt die Forderung, eigene Privilegien aktiv zu verlernen. Ausgehend davon werde ich mich mit den Fragen beschäftigen: Was bedeutet das für die Sozialethik als Wissenschaft, und wie können Schritte auf einem Weg des Verlernens aussehen?

Edith Wittenbrink ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Christliche Anthropologie und Sozialethik in der katholisch-theologischen Fakultät der JGU Mainz. Sie promoviert zur Frage nach Perspektiven kirchlichen Handelns in Deutschland angesichts von weißen Privilegien und strukturellem Rassismus. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Multiplikatorin im FORTHEM-Lab „Diversity and Migration“ hat sie 2021/22 ein Projekt zu „White Privilege and Structural Discrimination in Higher Education“ koordiniert.

20.06.2023 - Camilo Porras Sandoval
Bend It Like Carlos: Representations of Gay Masculinities in the Costa Rican Web Series and Films

In this talk, I examine the representations of gay masculinities in different Costa Rican media outputs from sitcom to film to web series. I approach the film aesthetics of the television series La Pensión (1999-), the web series Dele Viaje (2013-2017) and the film El Baile de la Gacela (2018) and analyze the social and audiovisual construction of masculinities of three gay characters in these productions.

Camilo Porras Sandoval is a PhD candidate, staff member and instructor in the film studies program at the Johannes Gutenberg-Universität Mainz. His dissertation focuses on media funding articulations in Costa Rica. His research interests also include media production studies, gender and queer studies, dramaturgy, and narratology. He is an associate member of the Research Training Program “Configurations of Film”. He studied communication studies and audiovisual production at the Universidad de Costa Rica, San José, Costa Rica and the Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen, Germany. In 2019, he completed his M.A. in Media Dramaturgy at the Johannes Gutenberg-Universität, Mainz.

[Die Diskussion kann sowohl in englischer als auch in deutscher Sprache stattfinden.]

04.07. –Jun.-Prof.‘in Franziska Jekel-Twittmann
Zweifel, Abstieg, Niedergang – unsichere Repräsentationen von Armut und Geschlecht in Marlene Streeruwitz‘ Roman Nachkommen.

Mit ihrem Roman Nachkommen. (2014) liefert Marlene Streeruwitz nicht nur eine kritische Beschreibung des Literaturbetriebs aus weiblicher Sicht, sondern rückt auch die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 für die griechische Bevölkerung auf vielschichtige Weise in den Fokus. Der Roman diskutiert insbesondere die Frage nach den ethischen und ästhetischen Implikationen, die mit der Repräsentation von Armut einhergehen. Ausgestellt wird ein doppeltes Repräsentationsproblem: Zum einen stellt der Text die Frage, wie angesichts äußerst wirkmächtiger stereotyper Vorstellungen überhaupt über die ‚Realität‘ der Betroffenen gesprochen werden kann, zum anderen diskutiert er, ob und inwiefern ein solches Sprechen im Rahmen von Stellvertretung und Fürsprache erfolgen kann. Da die Protagonistin darüber hinaus nicht nur als Autorin, sondern auch als junge und auf mehreren Ebenen unsichere Frau vorgestellt wird, lässt sich eine weitere Problematisierung des Themenkomplexes Armut und Repräsentation herausarbeiten.

Franziska Jekel-Twittmann ist seit April 2023 Juniorprofessorin in der Abteilung für Komparatistik am Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaften der Universität Bonn. Sie studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin; ihre Promotion erfolgte 2019 im Rahmen des Graduiertenkollegs Funktionen des Literarischen in Prozessen der Globalisierung an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Von 2019 bis 2023 war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sie war Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes und des evangelischen Studienwerks Villigst e.V. Ihre Forschungsinteressen umfassen Poetologien der Verunsicherung, Übersetzungstheorie, Literatur und Ästhetik um 1800, Literatur und Politik sowie die literarische Darstellung von Armut.

Interesse an den Lunch Lectures, aber kein Mitglied der JGU? Kein Problem! Anmeldung per Mail an professorinnenprogramm@uni-mainz.de.

Vergangene Veranstaltungen:

25.04.2023 - Dr.‘in Maja Figge (krankheitsbedingt entfallen)
Black (Post-)Cinemas: Genealogien, Praktiken und Ästhetiken

Die sowohl durch aktuelle politische Dringlichkeiten als auch technologischem Wandel motivierten rezenten künstlerischen, kuratorischen, archivarischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Archiv antikolonialer, militanter Filmpraktiken der 1960er und 1970er Jahre und der Diskurs zum Post-Cinema, der sich angesichts der digitalen Transformation den veränderten Ästhetiken, Produktionsbedingungen, Aufführungs-, Distributions- und Rezeptionsweisen von Film gewidmet hat, zeichnen sich nicht nur durch eine zeitliche Koinzidenz aus. Vielmehr betonen beide auch die zentrale Bedeutung der Zirkulation und der durch diese entstehenden Vernetzungen. Vor diesem Hintergrund rücke ich die translokalen und transtemporalen Verbindungen zwischen dem ‚dekolonialen Moment‘ und gegenwärtigen Schwarzen digitalen Film-/Videopraktiken, die auf eine Dekolonisierung (nicht nur) der Leinwände zielen, in den Blick. Der Vortrag fragt exemplarisch nach dem ästhetischen und politischen Potential dieser verschiedenen aber miteinander verwobenen filmischen Zugänge und zeigt dabei u.a. die Bedeutsamkeit Schwarzen feministischen Denkens für diese auf.

Maja Figge, Dr. phil. ist Kultur- und Medienwissenschaftlerin und derzeit filmwissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Ihre Schwerpunkte sind u.a. Geschichte, Ästhetik und Politik transnationaler Bewegtbildkulturen, mediale Erinnerung, Film-/Medienästhetik und -theorie, Postkoloniale und dekoloniale Theorien, Gender/Queer Media Studies. Sie ist Autorin zahlreicher Aufsätze und der Monografie Deutschsein (wieder-)herstellen. Weißsein und Männlichkeit im bundesdeutschen Kino der fünfziger Jahre (2015) sowie Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Medienwissenschaft. Derzeit arbeitet sie an der Fertigstellung ihres zweiten Buchs zu Black (Post-)Cinemas, dass Ende des Jahres im Transcript Verlag erscheint.

09.05.2023 - Dr.‘in Bettina Wild & Dr.‘in Melanie Wigbers
„Du hast einen viel zu scharfen Verstand für eine Frau.“ Deutschsprachige Mittelalterkrimis und ihre Ermittlerinnen

Mittelalterkrimis erfreuen sich großer Beliebtheit beim Lesepublikum; eine besondere Attraktivität geht offenbar dann von ihnen aus, wenn eine Frau die Verbrechen aufklärt. Eine neugierige und rebellische Ermittlerin, ein bedrohliches Setting in einer unsicheren Zeit und eine Begegnung mit dem Mittelalter und seiner Atmosphäre scheinen charakteristische Anziehungspunkte dieses kriminalliterarischen Subgenres zu sein. In unserem Vortrag beleuchten wir Besonderheiten der bislang in der Forschung wenig beachteten mittelalterlichen Frauenkrimis. Dabei gehen wir auf die Konstruktion der Krimiplots, die Gestaltung der Ermittlerfigur und die Rolle der Leserin ein. Exemplarisch betrachten wir ausgewählte Romane von Ulrike Schweikert, Andrea Schacht und Astrid Fritz.

Bettina Wild, Dr. phil. hat in Heidelberg und Manchester Germanistik und Anglistik studiert und mit dem Magisterexamen abgeschlossen. Es folgten die Promotion zu einem literaturwissenschaftlichen Thema an der Ruprecht Karls-Universität Heidelberg und Lehrtätigkeit an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und an weiteren Universitäten im Bereich Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik. Seit 2021 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt DigitalManufaktur und seit 2022 Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Beiträge zu Kriminalliteratur in Forschung und Lehre.
Melanie Wigbers, Dr. phil. hat das Erste und Zweite Staatsexamen für das Lehramt an Sonderschulen erworben. Es folgten eine literaturwissenschaftliche Promotion an der Leibniz Universität Hannover und Lehrtätigkeit an verschiedenen Hochschulen im Bereich der Literaturdidaktik. Seit 2007 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin, seit 2011 Akademische Rätin an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Kriminalliteratur gehört in Forschung und Lehre zu ihren Arbeitsschwerpunkten.

08.11.2022 - Christiana Schallhorn  
Frauen in der Männerdomäne Sport? Aktuelle Entwicklungen und Tendenzen.

Sport im Allgemeinen und Fußball im Besonderen gelten nach wie vor als Männerdomäne in Deutschland. Die Tendenzen von Sexualisierung, Marginalisierung und Unterrepräsentation von Frauensport, Sportlerinnen und Sportjournalistinnen in den Medien sind nach wie vor präsent. Während Männern eine Sportkompetenz automatisch zugeschrieben wird, müssen Frauen oft erst beweisen, dass sie gleichermaßen interessiert, involviert und kompetent im Sport sind. Der Impulsvortrag zeigt anhand unterschiedlicher Beispiele und empirischer Ergebnisse aus der Sportkommunikation und Sportsoziologie, dass sich einiges ändert, aber auch, an welchen Stellen noch einiges getan werden muss, um alten resistenten Stereotypen über Männer und Frauen im Sport entgegenzuwirken.

Bio:
Christiana Schallhorn ist seit Oktober 2019 Junior-Professorin für Sportsoziologie am Institut für Sportwissenschaft an der JGU Mainz. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich vor allem mit Fragen an der Schnittstelle von Medien, Sport und Gesellschaft. Ihre Forschungsschwerpunkte sind dabei die Medialisierung und Digitalisierung im Sport und in Sportorganisationen, gesellschaftliche Auswirkungen von Sportgroßereignissen sowie Diversität / Frauen im Mediensport und in der Sportkommunikation.

29.11.2022 - Hannah Peaceman
Zwischen Legitimation und Kritik: Wie umgehen mit Rassismus, Antisemitismus und Sexismus in Werken der klassischen Deutschen Philosophie?

Die BlackLivesMatter-Proteste und die politischen Interventionen nach den neonazistischen Anschlägen von Halle und Hanau zeigen eine breitere Auseinandersetzung mit Rassismus und Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft. Die Philosophie bleibt von der Kritik nicht unberührt: Büstenstürze oder Forderungen, bestimmte Denker aufgrund ihrer rassistischen oder antisemitischen Texte aus Seminarplänen zu streichen, haben sowohl eine größere Fachdebatte angestoßen als auch dazu geführt, dass Philosoph*innen in der Öffentlichkeit über die Verstrickungen der Philosophie mit Antisemitismus und Rassismus diskutieren.
Daran schließt das neue DFG-Projekt „Wie umgehen mit Rassismus, Antisemitismus und Sexismus in Werken der klassischen Deutschen Philosophie?“  (FSU Jena) an.
In der Lunch Lecture soll das Forschungsprojekt vorgestellt werden. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Ansatz einer Public Philosophy: Gemeint ist damit nicht, dass die Philosophie die Öffentlichkeit über Rassismus oder Antisemitismus aufklärt, sondern vielmehr die Frage: Wie kann eine (Selbst-)Kritik der Philosophie mit der und in der Öffentlichkeit aussehen?

Bio:
Dr. Hannah Peaceman ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt „Wie umgehen mit Rassismus, Antisemitismus und Sexismus in Werken der klassischen Deutschen Philosophie?" an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sie wurde 2020 mit einer Arbeit zum Potential jüdischer Perspektiven für die politische Philosophie am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt promoviert (Klostermann 2021). Peaceman ist Mitherausgeberin der Zeitschrift Jalta – Positionen zur jüdischen Gegenwart und publiziert u.A. zu postmigrantischen Erinnerungskulturen und zum Verhältnis von Rassismus und Antisemitismus.

13.12.2022 - Justus Pötzsch 

Wer ist der Anthopos im Anthropozän? Feministische Wissenschafts- & Technikforschung am Gegenstand der neuen Erdepoche ,des Menschen' 

Wir leben in einer neuen Zeitrechnung! So zumindest scheint das vorherrschende Bild der planetaren Wirklichkeit seit Paul Crutzen und Eugene Stoermer um die Jahrtausendwende eine neue Erdepoche unter dem Namen Anthropozän ausriefen. Diese Bezeichnung führt dabei modernistische wie ‚säkular-sakrale‘ Phantasien einer absoluten bzw. gottgleichen Deutungsmacht ‚des Menschen‘ respektive ‚der Menschheit‘ über den Planeten fort. Auch wenn das Zeitalter der ‚Geology of Mankind‘ noch nicht ihre finale Gestalt angenommen hat – menschengemachter Klimawandel, globales Massenaussterben und Geoengineering eröffnen sowohl apokalyptische wie apotheotische Entwicklungsszenarien –, regt sich dennoch nachhaltiger Zweifel an dem dominierenden Narrativ einer kollektiven, also von der gesamten Menschheit hervorgerufenen planetaren Veränderung. Insbesondere offenbart die, vor allem einer feministischen Theorietradition verpflichtete, posthumanistische Kritik an dem namentlichen ‚Erdzeitalter des Menschen‘ die massiven Differenzen der Verursachenden wie auch Erleidenden einer radikalen geosystemischen Transformation. Was verbirgt sich also hinter diesem ‚Wir‘, welches sich als vermeintlich definitorische Macht für unsere terrestrische Situation verantwortlich zeigt?

Bio:
Justus Pötzsch, Dipl.-Soz., widmet sich nach einem Studium der Soziologie und Psychologie in Dresden im Rahmen eines interdisziplinären Graduiertenkollegs (‚Life Sciences – Life Writing‘) an der JGU/ UM Mainz und Goethe Universität Frankfurt seiner Promotion zum Thema Anthropozän und davon ausgelösten Neuverhandlungen des Menschenbildes. Transhumanismus, Posthumanismus und ökologische Fragestellungen stehen somit im Zentrum seiner wissenssoziologischen und wissenschaftsgeschichtlichen Arbeit. Science Fiction, extra/terrestrische Liminalität und Verhandlungen über das Non/Inhumane komplettieren seine Suchbewegung nach den Grenzen unseres kollektiv-konstruierten Wissens über die Welt. Lehrerfahrung beim Studium generale Mainz, zahlreiche Publikationen und Vorträge zu den Themen Technik, Erde, Mensch in ihrer jeweils spezifisch historischen, sozio-materiellen Gewordenheit bilden die Grundlage seines Denkens und Forschens.

10.01.2023 - Elia Scaramuzza

Didaktische Annahmen und theoretische Bezüge in digitalen Materialien geschlechterreflexiver Bildung

Mit der Digitalisierung treten neue Herausforderungen in der Gestaltung von Bildungserfahrungen auf. Lehrende wie Lernende greifen zunehmend auf frei verfügbare digitale Bildungsmaterialien zurück, auch in der sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit ‚Geschlecht‘. Eine reflexive politische Bildung steht hier vor besonderen Herausforderungen, weil Geschlecht alle betrifft und an die je eigene Subjektivität gebunden ist (Scaramuzza 2021). Der Vortrag stellt die Ergebnisse einer Bildungsmaterialanalyse vor, die zusammen mit Stefan Müller durchgeführt wurde (Müller/Scaramuzza 2023). Am Beispiel ausgewählter Materialien der Open Educational Resource „Was ist Gender?“ der Hamburg Open Online University (2021) wird diskutiert, wie (digitale) Bildungsmaterialien zu Geschlecht mündigkeitsorientierte Bildungserfahrungen ermöglichen, aber auch einschränken und verstellen können. Dazu werden zunächst die didaktischen Annahmen und (möglichen) Folgen von geschlechterreflexiven Bildungsmaterialien argumentationsanalytisch rekonstruiert (vgl. dazu Gomolla/Radtke 2009; Scherr/Janz/Müller 2015). Anschließend werden die theoretischen Bezüge der Geschlechterforschung, die in den Materialien (nicht) enthalten sind, offengelegt und vor dem Hintergrund didaktischer Prinzipien diskutiert.

Bio:
Elia Scaramuzza ist Doktorand und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft/Arbeitsbereich Didaktik der politischen Bildung an der JGU Mainz. Er forscht schwerpunktmäßig zur Kritischen Theorie politischer Bildung und zu einer geschlechterreflexiven politischen Bildung. Seit 2006 ist er als politischer Bildner und Trainer tätig und bietet Seminare, Workshops und Vorträge zur reflexiven Auseinandersetzung mit Geschlecht an.

17.01.2023 - Mélissa Buecher-Nelson

Die Zukunft eines dekolonialen Feminismus. Oder wie Feminismus im afrofuturistischen Roman Rouge impératrice (2019) in Zukunft aussehen kann

Die Theorie der Dekolonialität, die vor etwa dreißig Jahren in Südamerika entstanden ist, bietet eine neue Richtung, um unsere Existenz neu zu denken und uns dabei vom Machtsystem der Kolonialität zu befreien. Laut Walter Mignolo ist Sexismus einer von vielen Aspekten der Kolonialität (Mignolo, 2018). In diesem Sinne forscht Francoise Vergès bereits seit einigen Jahren zur Aufarbeitung der Versklavung, zur Kolonisierung, zu Prozessen der Rassifizierung und zu Feminismus. Ihr zu diesem Thema passendes Buch Dekolonialer Feminismus (2019) handelt von Feminismus als zivilisatorische Entwicklung. Ein dekolonialer Feminismus solle helfen, Rassismus, Kapitalismus und Imperialismus zu überwinden (Vergès, 2019). Im Rahmen meiner Dissertation interessiere ich mich für afrofuturistische Werke der vergangenen zehn Jahre aus dem frankophonen afrikanischen Raum. Mit diesem Beitrag möchte ich gerne erklären, inwieweit der afrofuturistische Roman von Léonora Miano Rouge impératrice (2019) Anhaltspunkte für dekolonialen Feminismus bietet.

Bio:
Mélissa Buecher-Nelson (M.Ed.) studierte nach einem integrierten Studiengang im Bachelor of Education mit den Fächern Geschichte und Französisch an der Johannes Gutenberg-Universität und an der Université de Bourgogne in Dijon und im Anschluss im Master of Education an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Seit September 2021 promoviert sie am Arbeitsbereich von Prof. Dr. Véronique Porra zum Thema: “Dekoloniale Ästhetik und Afrofuturismus in der zeitgenössischen frankophonen afrikanischen Literatur ”.

 

24.01.2023 - Stephanie Elsen

Behinderung in der Moralphilosophie

Es scheint selbstverständlich, dass Menschen, die in Verbindung mit einer Behinderung, ihrem Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung mit sozialen Barrieren konfrontiert sind, einen Anspruch auf Inklusion haben. Weniger selbstverständlich ist allerdings, wie dieser Anspruch begründet werden kann. Ein naheliegender Ansatz zur Begründung moralischer Inklusionsan-sprüche bezieht sich auf den Gedanken, dass alle Menschen in einer grundlegenden Hinsicht moralisch gleich sind, auch wenn sie sich in ihren Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmalen stark unterscheiden. In meinem Vortrag stelle ich eine Herausforderung für diesen Ansatz dar: er muss auch die Situation von Menschen mit umfassenden kognitiven Behinderungen ausrei-chend berücksichtigen. Als Antwort auf diese Herausforderung schlage ich vor, die moralische Gleichheit und die moralischen Inklusionsansprüche aller Menschen in einem bestimmten Merkmal ihrer sozialen Natur zu fundieren: ihrer Abhängigkeit von sogenannten „Beziehungen der Achtsamkeit und Responsivität“.

Bio:
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arbeitsbereich Praktische Philosophie der Johannes Guten-berg-Universität Mainz (seit SoSe 2021); 2017-2022 Doktorandin im Fach Philosophie an der Universität Bern mit einem Dissertationsprojekt zu den moralischen Inklusionsansprüchen von Menschen mit kognitiven Behinderungen; 2017-2021 Anstellung als Doktorandin am Institut für Philosophie der Universität Bern; Forschungsaufenthalte an der University of Oxford, UK und der Monash University, Australien (2019); 2013-2016 Masterstudium der Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin; 2009-2012 Bachelorstudium der Germanistik und Philosophie an der Eberhard Karls Universität Tübingen.

 

31.01.2023 - Laura Anna Klein

Reproduktive Freiheiten unter dem Grundgesetz

Verhütungsmethoden, reproduktionsmedizinische und gendiagnostische Verfahren, zahlreiche Untersuchungen während der Schwangerschaft, medizinische Betreuung und Interventionen bei der Geburt veränderten den Lebensbereich der Fortpflanzung schon seit geraumer Zeit von einer Frage des Zufälligen hin zur Möglichkeit individueller Entscheidungen.  Angesichts der vielschichtigen reproduktiven Entscheidungssituationen, mit denen komplexe Rechtsfragen einhergehen, und den einschneidenden Erfahrungen, die Zeugung, Schwangerschaft und Geburt mit sich bringen, ist es erstaunlich, wie wenig grundlegend sich die deutsche Verfassungsrechtswissenschaft bisher mit diesen Fragen aus der Perspektive der entscheidenden und handelnden Subjekte beschäftigt hat. Im überwiegenden deutschen Verfassungsrechtsdiskurs werden die physischen, psychischen und sozialen Umstände von Zeugung, Schwangerschaft und Geburt bisher selten in den Blick genommen. Wenig Beachtung im Diskurs finden zudem Menschen, die strukturell diskriminierungsgefährdeten Gruppen zugeordnet werden oder aufgrund einer spezifischen Situation, etwa einer Geburt, besonders verletzbar sind. Diese Forschungslücke stellt nicht nur ein theoretisches Problem dar. Der fehlende theoretische Überbau führt dazu, dass zentrale grundrechtliche Freiheiten des Individuums nicht erkannt oder verkannt werden.

Anliegen dieses Beitrags ist es, den Blick für die lebenspraktische Bedeutung reproduktiver Belange von Individuen im verfassungsrechtlichen Diskurs zu öffnen und zu schärfen. Ziel des Beitrags ist es deshalb – unter Einbeziehung disziplinübergreifender Erkenntnisse und unter Berücksichtigung menschenrechtlicher Garantien – den im Rahmen meiner Dissertation entwickelten Vorschlag einer grundrechtlich angemesseneren Konturierung reproduktiver Freiheiten zu skizzieren. Die grundrechtliche Konturierung reproduktiver Freiheiten ist dabei ergebnis- und zukunftsoffen, zeigt jedoch zugleich Grenzen, Aufträge und Spielräume für gesetzgeberisches Handeln auf. Meine Hoffnung ist es, mit der Blickrichtung reproduktiver Freiheiten einen theoretischen Rahmen für das weitere systematische Nachdenken über reproduktive Entscheidungen liefern zu können.

Bio:
Studium der Rechtswissenschaften in Freiburg, Santiago de Chile und Berlin (2011-2017). Promotionsstudium an der Universität Mainz, betreut von Prof. Dr. Friederike Wapler (2018-2022). Dort seit 2019 bis heute am Arbeitsbereich tätig. Seit November 2021 Referendariat am Kammergericht Berlin mit Stationen im Bundeskanzleramt (2022), in der Kanzlei RAUE (2022) und am Bundesverfassungsgericht (2023).